Stolpersteine in Straubing
Den Opfern ein Gesicht geben
Am Anfang taucht ein Name auf - z.B. in einem Verzeichnis von Deportierten oder einer Häftlingsliste eines Konzentrationslagers. Wer aber, welches Leben verbirgt sich hinter dem Namen?
Es ist eine mühselige Suche, noch dazu Jahrzehnte nach dem Tod bzw. der Ermordung. Die Recherche beginnt, zuerst im Stadtarchiv Straubing, wo vor allem die Meldeunterlagen erste Anhaltspunkte geben, ergänzt durch Quellen unterschiedlicher Art wie Standes-amts-, Haus- oder Gewerbeakten, Adressbücher und Zeitungen. Verweise auf Geburts- und Herkunftsorte, auf Zuzug und Wegzug, auf Familienbezüge tauchen auf, lassen in kommunalen und staatlichen Archiven nachfragen. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland und die zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem sind bei jüdischen Namen unverzichtbar. In den Arolsen Archives, Internationales Zentrum über NS-Opfer, ist eine Fülle an Quellen zusammengetragen, ersetzt aber nicht die Anfrage an einzelne Lager bzw. Gedenkstätten. Hervorzuheben sind die Akten des bayerischen Landesentschädigungsamtes, die bereits überwiegend im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zugänglich sind; hier war der Anspruch der Angehörigen auf Entschädigung zu beweisen, auch durch Aussagen überlebender Zeitzeugen, die oftmals als einzige Quellen Schlaglichter auf die Persönlichkeit und die Lebensumstände vermitteln. Fotos sind zumeist Zufallsfunde, z.B. als Passbild auf einem Pferdehändlerausweis oder einer Meldekarte. So manche Fotos und Unterlagen sind über die Welt zerstreut, wurden bei Flucht und Emigration von Verwandten mit-genommen. Das - schwierige - Aufspüren und der Kontakt mit Nachkommen brachten erschütternde Briefe und so manches Foto zum Vorschein. Das Opfer bei einer Familienfeier lachen oder vor seinem Geschäft stehen zu sehen, macht die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Todes erst so richtig deutlich: ein Mensch wie du und ich, aus seinem Alltag, seinem Leben gerissen.
Ich habe mich bemüht, mit dem Handwerkszeug der Historikerin bei jeder Biographie Mosaikstein für Mosaikstein zu einem "Lebensbild" zusammenzusetzen.
Letztlich sind sie natürlich wegen mangelnder Quellen lücken- und skizzenhaft. Aber es ist doch mein Versuch - auch als Mensch -, jedem dieser Frauen, Männer und Kinder gerecht zu werden: ihnen ein Gesicht zu geben!
41 Menschen, die in Straubing lebten und durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft starben, haben bisher Stolpersteine erhalten. Immer noch tauchen Namen auf, die ihr Leben in dieser Zeit verloren - weil sie jüdischen Glaubens, anderer politischer Meinung oder behindert waren.
Hier seien einige genannt:
der Sozialdemokrat Karl Götz, die Kommunisten Josef Doll, Josef Burkhardt und Johann Laberer, die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Friedrich Becker, Karl und Paula Epstein, Martha Kirschbaum, Karl und Silvia May, Kurt Schlesinger, Julius Sommer, Rosa Steiner.
Dr. Dorit-Maria Krenn
(Stadtarchivarin)