Samstag, 30. November
19 Uhr - AnStattTheater
Dr. Janusz Korczak „struwwelt“
Dr. Heinrich Hoffmann
„Weh!
jetzt geht es klipp und klapp
mit der Scher die Daumen ab,
mit der großen, scharfen Scher!“ (Hoffmann)
Als Dr. med. Heinrich Hoffmann (1809-1894) im Dezember 1844 ein passendes Weihnachtsgeschenk - es sollte ein Bilderbuch sein - für seinen im vierten Lebensjahr stehenden
Sprössling suchte, fand er nichts, was ihm zusagte.
So schritt er selbst zur Tat, kaufte ein leeres Schreibheft und dichtete und zeichnete die ersten
Geschichten des „Struwwelpeter“.
Damit war der Grundstein für den sensationellen Erfolg eines Bilderbuchklassikers gelegt, der bis heute in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. In „lustigen Geschichten und drolligen Bildern“, wie es im Prolog zu lesen ist, stellt Hoffmann verschiedene Kindercharaktere dar, deren (Fehl-) Verhalten drastische bzw. grausame Konsequenzen nach sich ziehen.
Die brutalen Bestrafungsmethoden der Erwachsenenwelt bieten gegenwärtig immer noch
genügend Zündstoff für kontroverse Diskussionen, gegensätzliche Analysen, Interpretationen und Neudeutungen.
Ausgewählte Passagen aus diesem Buch lassen wir in kritische, bisweilen auch humorvolle
Zwiesprache treten mit Ideen und pädagogischen Vorstellungen des jüdisch-polnischen Arztes, Schriftstellers und Erziehers Janusz Korczak (1878-1942).
„Und das Kind braucht den Glanz des Glücks
und die Wärme der Liebe.
Gewährt ihm eine helle Kindheit,
und gebt ihm einen Vorrat an Lachen
für das ganze lange und dornige Leben.“ (Korczak)
Wenn Erziehung sinnvoll, offen, umfassend und nachhaltig sein soll, wird eine erfolgreiche
Entwicklung der Demokratie, d.h. eine permanente Erziehung zur Demokratie als notwendige
Voraussetzung anzusehen sein. Erziehung zur Demokratie ist aber eine pädagogische Aufgabe, die sich in einem andauernden Prozess befindet, ja geradezu befinden muss.
Dabei sollte man nicht einer notorischen Überschätzung von erzieherischen Möglichkeiten auf den Leim gehen. Auch wenn z.B. Janusz Korczak konstatierte: „Die Welt reformieren heißt, die Erziehung reformieren“ , so sollte man sich davor hüten, zu glauben, Reformen im
Erziehungsbereich führten automatisch immer zugleich auch zur Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse. Und dies ist um so weniger der Fall, je intensiver eine Gesellschaft sich in die Pädagogik einmischt, und zwar nicht um der Kinder willen, sondern um eigene - politische,
wirtschaftliche, religiöse, ideologische etc. - Interessen damit zu verfolgen.
Unser Theaterstück „Wieder und wieder zu den Sternen hinaufsehen. Dr. Janusz Korczak struwwelt Dr. Heinrich Hoffmann“ wirft daher Fragen nach einer adäquaten Erziehung auf. Wie findet man das Gleichgewicht zwischen Schutz und Selbstbestimmung, Behütung und Eigenverantwortung? Ist der Spielraum, in dem Kinder eigene Wege und Grenzen austesten können, heute - trotz ausufernder medialer Möglichkeiten - weitgehend eingeengt?
Basierend auf Originaltexten der beiden „Sterne“ der Kinderbuchliteratur, die da am pädagogischen Himmel leuchten, entwerfen wir szenische Bilder, verändern und verfremden wir - und beziehen Stellung. Somit schimmern auch aktuelle Probleme der heutigen Gesellschaft immer wieder durch - wie etwa der Verlust der Individualität durch genormte Verhaltensmuster. Das direkte szenische Spiel auf der Bühne haben wir mit einem Technik-Mix aus Projektion und Filmsequenzen auf der Leinwand verwoben. Und die Musik? Ist wie stets bei uns „live“ - dargeboten von einem professionellen Team.
Die Veranstaltung ist Teil des Projektzyklus zu Janusz Korczak (seit 2013).