
Adam Jaromir
Adam Jaromir ist ein in Polen geborener und in Hannover lebender Verleger, Übersetzer und Autor von Bilderbüchern.
Jaromir studierte in Hannover und Florenz Germanistik und Italianistik. Im Jahr 2006 gründete er den Gimpel-Verlag, in dem vor allem polnische Autoren und Illustratoren verlegt werden. Sein Bilderbuch „Fräulein Esthers letzte Vorstellung – Eine Geschichte aus dem Warschauer Ghetto“ (illustriert von Gabriela Cichowska) erzählt von den Ereignissen im Warschauer Ghetto des Jahres 1942. Es bringt Passagen aus Korczaks Tagebuch in Zusammenhang mit der Geschichte eines Mädchens aus dem Waisenhaus und mit der Erzieherin, die mit den Kindern ein Theaterstück von Rabindranath Tagore zur Aufführung brachte.
Die unterschiedlichen Ebenen der teils dokumentarischen, teils fiktionalen Darstellungen werden im Text durch den Wechsel der Perspektiven kenntlich gemacht und auf der Bildebene durch Bildzitate, durch die Montage von Fotografien und Zeichnungen und durch die Typografie. Künstlerisch und sachlich überzeugend zeigt das Buch, wie wichtig Sprache, Spiel und Ästhetik für die Bewohner von Korczaks Waisenhaus waren. Janusz Korczaks Pädagogik drückt sich sehr stark in seiner, den Kindern entgegengebrachten Haltung aus. Er hat sie daher in seinen Werken auch weniger erklärt als erzählt. Dieses Wesensmerkmal greifen Adam Jaromir und Gabriela Cichowska in ihrem Buch auf, indem sie auf mehreren Ebenen erzählen – in Bildern, in Texten und in unterschiedlichen Erzählsträngen. Eine ergreifende Hommage an die Zöglinge und Mitarbeiter des Dom Sierot, Menschen wie die zwölfjährige Genia, denen der Traum vom Theater – wenn auch nur für wenige Stunden – eine Flucht bot, in eine bessere Welt, oder wie Fräulein Esther, die selbst in der Stunde großen Sterbens nicht versäumte, für die Schwächsten da zu sein, und die genau wie sie von einem „schönen Leben“ träumte, einem Leben weder lustig noch leicht. „Fräulein Esthers letzte Vorstellung“ wurde er für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt 2014 den „Gustav Heinemann Friedenspreis“.
Leben
Jaromir studierte an den Universitäten Hannover und Florenz Germanistik und Italianistik. Im Jahr 2006 gründete er den Gimpel-Verlag, in dem vor allem polnische Autoren und Illustratoren verlegt werden. Zu den Stammautoren und -illustratoren von Gimpel gehören Iwona Chmielewska, Gabriela Cichowska und Pawel Pawlak. Neben seiner Tätigkeit als Verleger und Übersetzer hat er bislang fünf Bilderbücher geschrieben, die in seinem Verlag erschienen sind: Adamek oder wie man aus zwei Äpfeln drei macht (2007), Zarafa (2009), das die Geschichte einer Giraffe im Paris des 19. Jahrhunderts erzählt, Fantje (2010), das die Reise eines weißen Elefanten von Afrika nach Meißen begleitet, Tallula – Königin der Nacht (2012) und Fräulein Esthers letzte Vorstellung – Eine Geschichte aus dem Warschauer Ghetto (2013). Durch das Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung wurden die Recherchen zu Fräulein Esthers letzte Vorstellung ermöglicht. Seine Bücher wurden international und national mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet.
Künstlerische Bedeutung
„Mit den bislang von ihm verlegten bzw. geschriebenen Werken zeigt sich schon jetzt seine Bedeutung als einer jener couragierten »Buchmenschen«, die sich – allen Marktgesetzen zum Trotz – für den Erhalt des künstlerisch anspruchsvollen Bilderbuchs in Deutschland einsetzen.“
Presseschau
Fräulein Esthers letzte Vorstellung – Eine Geschichte aus dem Warschauer Ghetto (2013)
„Wer als Vater oder Mutter vorbereitend Fräulein Esthers letzte Vorstellung liest, sollte diese Hintergründe kennen. Denn die Texte Adam Jaromirs bauen auf ihnen auf. Und auf Knappheit: Spröde Lakonik ist der erschütternde Grundton, in dem, gestützt auf hinterlassene Notizen Korczaks, Jaromir den Arzt und die fiktive zwölfjährige Genia von den letzten Wochen des Waisenhauses erzählen lässt. Beide benutzen die Gegenwartsform, ein Duktus, der sofort einen Sog ausübt. Jeder Satz wird zum stillen Schlag, der beklemmende Gedankenketten in Bewegung setzt […]. […] Cichowska und Jaromir ersparen ihren kindlichen Lesern nichts, aber sie schildern das Grauen behutsam andeutend. […] So wie überhaupt dieses Buch mit seiner Forderung nach Konzentration und seinen wunderbaren ergreifenden Bildern ein Gegenpol sein könnte, ein Deich gegen die abstumpfende Flut der im Sekundentakt wechselnden computeranimierten Gewaltwelten.“ Dieter Bartetzko: Es gibt hier keine Vögel, und der Donner bleibt aus, in: FAZ vom 21. September 2013, S. 32
„Das aufwendig gestaltete, dokumentarische wie lyrisch verdichtete Buch erinnert an Menschen, die Kindern auch in finsteren Zeiten mit Respekt und Kunst beistehen.“ Verena Hoenig: NZZ am Sonntag, Nr. /2013
„Ein einzigartiges Meisterwerk, in dem Text und Bild eine Geschichte von den letzten Monaten in Janusz Korczaks Waisenhaus im Warschauer Ghetto erzählen.“ Siggi Seuss: Fräulein Esthers letzte Vorstellung, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 288 vom 13. Dezember 2013, S. 15
„Es ist eine aufwühlende wahre Geschichte, die hier in knappen Sätzen und mit großen, traumartigen Illustrationen in erdigen Farbtönen erzählt wird. […] Ein erschütterndes Buch, eine große Erinnerung.“ JUS (Kürzel): Erschütternd, in: Die Zeit vom 9. Januar 2014, S. 36
„Der Verleger, Autor, Übersetzer und Entdecker Adam Jaromir hat schon so manche literarische und ästhetische Perle hervorgebracht: Das bibliophile Drama Fräulein Esthers letzte Vorstellung gehört sicher zu seinen herausragenden Werken. […] Zur literarisch kostbaren Ausführung kommt eine Illustrationskunst, die erdig und zugleich präzise Vergangenheit und Seelenspannung ins Bild setzt. Collagentechnik, die berührt wie selten und dabei typografisch umsetzt, was dialogisch passiert. Ein Buch für die Liste schönster Bücher, bei aller Tragik.“ Christine Paxmann: Variationen der Grausamkeit, in: eselsohr, Februar 2014, S. 11
„Aber das, was nun Adam Jaromir (als Autor), die junge polnische Künstlerin Gabriela Cichowska (als Illustratorin) und Dorota Nowacka (als grafische Gestalterin) geschaffen haben, ist ein einzigartiges kleines Meisterwerk der Buchkunst, eine kongeniale Verknüpfung von Text, Bild und Gestaltung zu einer wahrhaftigen, tief berührenden Geschichte. […] Bücher wie dieses sind nicht nur eine Reminiszenz an die traditionelle polnische Bilderbuchkunst, sie sind ein Beweis dafür, dass junge Künstler ein Erbe bewahren und es gleichzeitig mit eigenen Visionen bereichern können.“ Siggi Seuss: Zimmerfluchten der Erinnerungen, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 64 vom 18. März 2014, S. 14