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„Wer, wenn nicht wir Überlebenden sollen den jungen Menschen erzählen?“

Zeitzeuge Prof. Dr. Waclaw Dlugoborski

Auschwitz – Der Häftling mit der Nummer 138871

 

* 1926 in Warschau

Dlugoborski war bis 1996 Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Wirtschaftshochschule in Breslau. Auch an deutschen Hochschulen hat er unterrichtet. bereits seit geraumer Zeit ist Dlugoborski zu- dem Kurator für Forschungsfragen am staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Er war während der NS-Zeit dort selbst Häftling, mit der Nummer 138871.

Waclaw Dlugoborski wurde im Mai 1943 in Warschau von der Gestapo festgenommen und nach einigen Monaten Haft nach Auschwitz deportiert. Sein Plan, im polnischen Untergrund gegen die deutschen Besatzer zu kämpfen schlug fehl. Nun musste er Sklavenarbeit im Konzentrationslager leisten.

„Ich hatte Glück“, erzählt Dlugoborski. „Als ich ins Lager kam, herrschte Mangel an gestreifter Häftlingskleidung. So bekam ich die Kleidung eines ermordeten Juden. Die war dicker und wärmer. Die Kleidung eines Toten, sie war einer von vielen kleinen Zufällen, die die Chancen auf ein Überleben verbesserten.“ Dlugoborski kommt an zwei bis drei Tagen pro Woche aus dem etwa 50 Km entfernt gelegenen Katowice nach Oswiecim, wie Auschwitz auf polnisch heißt. An der internationalen Jugendbildungsstätte trifft er deutsche Jugendliche, aber auch Schüler aus anderen Ländern und berichtet von seinen Erlebnissen. „Das ist eine Verpflichtung, die wir Überlebenden gegenüber denjenigen haben, die das Lager nicht überstanden haben“. Dlugoborski ist ein bescheidener Mensch. „Wer, wenn nicht wir Überlebenden sollen den jungen Menschen erzählen? Mir ist bewusst, dass ich nicht alle mit meiner Botschaft hier erreichen kann. Sind es nur 10 Prozent, dann hat es sich bereits gelohnt“.

 

 

Ich sehe das literarische Schaffen im Lager nicht nur als künstlerischen Ausdruck von Gefühlen, wie Schmerz, Bitterkeit und Verzweiflung der in den Konzentrationslagern eingesperrten Menschen, sondern auch als Zeichen der Sehnsucht, Hoffnung auf Überleben und Rückkehr. Es ist auch eine Ausdrucksform von Widerstand und Auflehnung eines besonders empfindsamen Menschen – wie des Dichters – gegen ein von einem gewalttätigen System aufgezwungenes Lagerleben. Es ist ebenfalls ein deutliches Zeichen der Verachtung dem Feind und dem Tod gegenüber, eine Stärkung des Herzens und die Bestätigung des eigenen Menschseins. ( Adam A. Zych)

Literaturhinweis:
Auschwitz Gedichte Teil 1 und Teil 2
ISBN 83-85047-90-5

 

 

Harfen von Birkenau

Von dem Stoß Leichen blicken tote Gesichter
ohne Mund, ohne Nase, mit gläsernem Auge
blicken zu den Sternen…
Ratten tanzen ihre
roten Reigen, – Ratten.

Und die Drähte, zwischen die Lichtmasten
gespannten Drähte – sie glänzen.
Das sind die Harfen von Brzezinka
die Harfen von Birkenau.

Stinkender klebriger Kot, an den Fußlappen Blut
nichts als Flüche und haushoch Menschen, Menschenskelette
Augen von Wahnsinn,
Massen und Massen.

Und die Drähte, zwischen den Lichtmasten
gespannt – sie glänzen.
Das sind die Harfen von Brzezinka,
die Harfen von Birkenau.

Wasser, Wasser! … Wasser!
Gib Wasser, die Zunge schwillt an,
die heißen Lippen sie platzen
die mit den goldenen Haaren stirbt.
Soll sie krepieren auf ihrem dreckigen Stroh, krepieren!

Und die Drähte gespannt zwischen den
Lichtmasten glänzen.
Das sind die Harfen von Brzezinka,
die Harfen von Birkenau.

In der Menge die auf der Erde gelagert
traf ein beschlagener Stiefel eine liegende Brust
stolperte über eines Menschen Stirn.
Ein Schrei steht auf, ein tausendfacher Schrei,
Geheul fliegt in den Raum.

Und die Drähte zwischen die Masten gespannt
sie glänzen.
Das sind die Harfen van Brzezinka,
die Harfen van Birkenau.

Räder rollen über die Schienen,
jagen dahin für den Sieg des Verbrechens,
sie fahren, sie fahren Menschen ins Gas,
Menschen zum Ofen, Menschen auf den benzinbegossenen Stoß.
Dichte Rauchschwaden breiten sich aus, stinkender Qualm.
Hier verbrennen Menschen, Menschen.

Und die Drähte zwischen die Lichtmasten
gespannt – sie leuchten.
Das sind die Harfen van Brzezinka,
die Harfen van Birkenau.

Zofia Grochowalska-Abramowicz, geb. 1902
Birkenau 1944
(Aus dem Polnischen ins Deutsche von Susanne Pampuch)

 

 

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