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Oktober 2014 :: Ein Gespräch mit der Regisseurin, Schauspielerin und Fernsehmoderatorin Mo Asumang mit der Filmvorführung „Die Arier“

Filmvorführung „Die Arier“ – Im Gespräch mit Mo Asumang

„Rassisten sind keine Gespenster“ – „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang“

 

Eine Frage hat man der Regisseurin, Schauspielerin und Fernsehmoderatorin („Liebe Sünde“, Pro 7) dann doch nicht gestellt: Ob es mehr Mut erfordert, vor einem Millionenpublikum explizit über delikate Sex-Themen zu sprechen oder einen Film wie „Die Arier“ zu machen. Die Antwort liegt ohnehin auf der Hand, denn die Afro-Deutsche, Jahrgang 1963, wurde schon vor der beeindruckenden Dokumentation, die mit schlichten Methoden den großen Rassen-Mythos der Rechtsextremen als Selbstlüge enttarnt, aus der Neonazi-Szene angefeindet, erhielt sogar Morddrohungen. Am 7. Oktober, 19 Uhr, kommt Asumang im Rahmen des lokalen Aktionsplans „Wir sind Straubing“ in das Anstatt-Theater, um dort nach der Filmvorführung mit den Zuschauern zu diskutieren.

 

Frau Asumang, als Afro-Deutsche wurden Sie bereits rassistisch angefeindet, bevor Sie den Film „Die Arier“ gemacht haben. Was war das Schlimmste, das Sie in dieser Richtung erleben mussten?

Das war die Morddrohung der Neonazi-Band „White Aryan Rebels“. In einem Lied heißt es: „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang“. Da haben sie mich persönlich mit Namen genannt. Das ist in der Rangliste der rassistischen Anfeindungen schon ganz oben. Aber es hat auch noch andere Anfeindungen gegeben. Ich bin zum Beispiel während des Studiums Taxi in Berlin gefahren, war also viel nachts unterwegs. Da hat ein Fahrgast meinen Kopf aufs Taxidach geschlagen, und einer hat mich mit einer 9mm-Pistole auf der Straße bedroht, weil er nicht bezahlen wollte. Das waren eindeutig rassistisch motivierte Aktionen.

Macht man einen Film wie „Die Arier“ dann trotz der Drohungen – oder gerade deswegen? Anders gefragt: Sind Sie eine mutige Frau?

Am Anfang war natürlich die Angst. Ich habe lange an diesem Angst-Thema gearbeitet und mittlerweile festgestellt, dass Rassisten keine Gespenster sind. Das sind Menschen wie du und ich, die einfach eine andere Einstellung haben. Wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, dann kann sich die Angst eben auch lösen. Und das ist das, was ich versucht habe, um da auch weiterzukommen.

Als Zuschauer hat man in manchen Situationen, denen Sie sich für den Film ausgesetzt haben, ehrlich gesagt richtig Angst um Sie. Wie kalkulierbar war das Risiko?

Anfangs habe ich mit Kameramännern gedreht. Als diese dann allerdings auch angegriffen worden sind, habe ich einfach gesagt, dass wir nur noch mit Frauen drehen. Damit wollte ich das Level an Aggression so weit wie möglich herunterfahren. Frauen haben ja insgesamt eine sanftmütigere Ausstrahlung, die Neonazis haben sich dadurch nicht so provoziert gefühlt. Ansonsten hatten wir keinen Begleitschutz. Ich habe immer auf das Bauchgefühl gehört, wir sind einfach hingegangen. Ich habe mit meiner inneren Ausstrahlung gearbeitet. Ich habe niemanden angefeindet oder angebrüllt, sondern war ganz offen. Ich muss aber auch deutlich sagen: Als afro-deutscher Mann hätte ich diesen Film nicht gemacht. Das hätte ich mich nicht getraut.

Für den Film haben Sie sich unter anderem in den USA mit Ku-Klux-Klan-Anhängern und mit dem Top-Rassisten Tom Metzger getroffen, dem Gründer der „White Aryan Resistance“. Dessen Ziel ist es, eine arische Revolution zu starten. Wie begegnet man so einem Menschen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn?

In der Regel bin ich nicht auf die Leute vorab zugegangen, ich habe kein einziges Vorgespräch geführt. Wir haben recherchiert, wo es öffentliche Veranstaltungen gibt, zu denen man hingehen kann. Beim Ku-Klux-Klan habe ich mir beispielsweise einen Flyer ausgedruckt und wir sind auf gut Glück hin. Bei Tom Metzger war es so, dass sich meine Co-Produzenten von der Hanfgarn- und Ufer-Filmproduktion mit ihm in Verbindung gesetzt haben: Sie haben wirklich wöchentlich telefoniert, um ihn bei der Stange zu halten. Der war natürlich freudig erregt, dass die deutsche Presse Interesse hat an seiner Arbeit. Wenn sie mit ihm gesprochen haben, dann hat er auch immer den deutschen Akzent gehört, und das fand er alles ganz toll. Er hat natürlich überhaupt nicht damit gerechnet, dass die, die dann bei ihm auftaucht, eine andere Hautfarbe als seine hat.

Aber er hat sich dann ja doch auf ein Gespräch mit Ihnen eingelassen…

Ja, er hat mitgemacht. Er hatte ja schon seit Monaten darauf gewartet. Deshalb wollte er sich das wohl nicht durch die Lappen gehen lassen. Für ihn ist das halt, wie er es auch im Film selbst sagt: Rassismus-Business. Das finde ich überhaupt sehr, sehr wichtig, dass man weiß, dass die meisten dieser Neonazi-Chefs einfach Rassismus-Business machen. Der Film war für ihn eine Werbeplattform, hoffte er zumindest. Anders wäre er auch mit Sicherheit nicht in das deutsche Fernsehen reingekommen.

Bei Ihren Recherchen zu dem Film haben Sie herausgefunden, dass Ihre Großmutter, die Sie großgezogen hat, 1-A-Schreiberin bei der Waffen-SS war. Wie genau sind Sie darauf gestoßen?

Ich habe mich zusammen mit meiner Mutter auf Wurzelsuche begeben, und wir haben unsere Familiengeschichte bis 1750 zurückverfolgt. Irgendwann hat meine Mutter noch weiter recherchiert, über ihre eigene Mutter und ihren eigenen Vater. Und da ist das dann eben rausgekommen. Wir haben auch so ein Schriftstück gefunden, auf dem stand, von wann bis wann sie bei der Waffen-SS tätig war. Und dann hatte sie auch noch einen Ausweis, den sie wohl vorzeigen musste, wenn sie zur Arbeit wollte.

Was hat diese Entdeckung bei Ihnen ausgelöst?

Ich habe mir gedacht: Schau mal, da ist eine Frau, die bei der SS war, und die hat dann ein afro-deutsches Kind großgezogen. Ich bin ja bei meiner Großmutter aufgewachsen. Das war für mich eigentlich die wichtigste Bestätigung weiterzumachen mit meiner Suche danach, wie Rassismus funktioniert – und wie man das Problem lösen könnte. Dass es eben Möglichkeiten gibt, dass Menschen nicht mehr nur die Ideologie leben, sondern auch die menschliche Seite zum Vorschein kommt. Bei meiner Großmutter war es so, dass die Frau in ihr, die Mutter, größer und stärker war als jede Ideologie. Ich weiß auch nicht, wie aktiv sie damals bei der SS war, ob sie freiwillig dabei war oder ob sie gezwungen wurde. Aber was war für mich eigentlich das wichtigste Zeichen war: Ja, es geht.

Hätten Sie gerne mit Ihrer Großmutter, die ja inzwischen verstorben ist, darüber gesprochen?

Wenn ich das als junge Frau herausbekommen hätte, hätte ich meiner Großmutter wahrscheinlich den Rücken zugekehrt und kein Wort mehr mit ihr gesprochen. Mittlerweile sehe ich das anders, aber als junge Frau hätte ich damit nicht umgehen können.

Beim Besuch von NPD-Kundgebungen oder auch dem Treffen einer offenbar rechten Burschenschaft merkt man, dass es Ihnen im Film in erster Linie nicht darum geht, die Menschen vorzuführen, sondern darum, den Hass der Rechtsextremen zu verstehen. Ist Ihnen das zumindest ansatzweise gelungen?

Ja, schon. Denn die wichtigste Regel, die man befolgen muss, ist: nicht alle Nazis in einen Topf schmeißen. Denn es gibt einfach Unterschiede. Natürlich schon alleine deshalb, weil nicht alle Menschen gleich sind. Aber es gibt vor allem den Unterschied zwischen den Hassverkäufern und den Mitläufern. Die Hassverkäufer stehen an der Spitze, sind in der Politik oder machen Sendungen wie Tom Metzger, der mit seinem Gedankengut ja den ganzen Äther verseucht. Das sind die, die davon profitieren. Und dann gibt es die Mitläufer, das ist die größere Zahl. Gegen die Nazichefs hat man als Normalbürger gar keine Chance, da sollten wir uns gar nicht reindenken. Das ist etwas, wo die Polizei und Justiz eingreifen muss. Wir sollten uns bei unserem Kampf gegen den Rassismus auf die Mitläufer konzentrieren. Da sieht die Sache nämlich schon ganz anders aus.

Wie sollte man denn Ihrer Meinung und Erfahrung nach Nazis begegnen?

Nicht anklagend, sondern offen. Je jünger sie sind, desto besser. Und eben nicht erst dann, wenn sie schon die Springerstiefel anhaben. Da können wir tatsächlich als Normalbürger, als Gesellschaft etwas bewirken. Man muss ja auch nicht alleine auftreten, sondern kann sich in Gruppen zusammentun. Man kann viele Leute kennenlernen, man kann einander helfen. Das gibt einem auch Gegenseitigkeit Halt und Stärke, da kann etwas daraus wachsen, das ist wirklich etwas Positives. Man muss sich tief im Innersten wünschen können, dass dieser Mensch wachsen kann. Wenn man sich das nicht vorstellen kann und total wütend ist, dann kann man in dem Moment auch nichts bewirken.

Wie waren denn die Reaktionen nach dem Film von der rechtsextremen Seite?

Es kamen zum Glück keine richtig schlimmen Anfeindungen. Ich habe eher das Gefühl, dass sich manche Neonazis jetzt ein bisschen schämen, weil ja auch rausgekommen sind, dass sie gar keine Arier sind, so wie die Deutschen sowieso auch keine Arier sind. Da bleiben sie jetzt erst einmal ganz, ganz klein.

 

Interview: Stefanie Sobek

 

 

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Sie sehen Bilder, die bei unserer Veranstaltung mit Mo Asumang entstanden sind | © R. Schaffner

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